Der zweite Prozesstag von Balu fand letzten Freitag, 14.10. statt. Zwar gab es dieses Mal weniger Überraschungen als beim ersten Prozesstag, aber auch nur deswegen, weil die Lügen und der Rassismus der Polizeizeug_innen nach dem letzten Mal wirklich keinen mehr erstaunten.. Kleiner Spoiler – Balu ist weiterhin frei und ein Urteil gibt es noch nicht!
Politik bleibt tabu?
Auch bei diesem Mal waren so viele Unterstützer_innen vor Ort, dass einige leider draußen stehen bleiben mussten. Erfreulich war, dass mensch nicht vorm Gerichtssaal auf eine Menge Hamburger Gitter stoß, jedoch blieb es dabei, dass ein Aufgebot von 3-4 Wannen (die sichtbar waren) den Gerichtssaal bewachte. Balu erfreute sich der vielen Unterstützer_innen und Freund_innen die aus Münster und Köln angereist waren und konnte diesmal während des Prozesses auch aus dem „Hochsicherheits-Glaskäfig“ rausbleiben, in dem er beim letzten Mal skurrilerweise sitzen musste.
Ansonsten blieben jedoch alle Sicherheitsvorkehrungen dies selben, wieder mussten sich alle Besucher_innen einer intensiven Sicherheitskontrolle hingeben. Es durften keine Taschen mithinein genommen werden, Kopien von Personalausweisen wurden gefertigt usw. Bei Prozessbeginn wurde dann direkt die Frage nach Polizeibeamt_innen im Saal von Balu‘s Anwält_innen gestellt. Wie schon beim letzten Mal, wollte die Richterin bei dieser Frage nicht erkennen, welche Relevanz diese für den Fall haben soll. Das bekannte Spielchen zwischen Richterin und Anwältin begann, bei welchem die Anwält_in mehrfach versicherte ihre Anfrage sei rechtlich begründbar und die Richterin darauf beharrte es nachprüfen zu lassen (bzw. es formal beantragen zu lassen). Schlussendlich, nach einer kurzen Unterbrechung, gab die Richter_in dem Antrag schließlich statt1 und tatsächlich stellte sich Herr „Matschi“ Gribatschki vom LKA 5 32 vor, der als „Hospitant“ dem Prozess beiwohnte – und damit einen Besucher_innenplatz stahl.
Nichts miteinander zu tun – Haase und Partner
Zunächst wurde die Zeugin Haase nochmal befragt. Hier wurden vor allem einige Details geklärt und es sollten Videos in Anwesenheit der Zeugin gezeigt werden, auf denen u.a. eine Tat vom Demotag zu sehen sei. Jedoch legten Balus Anwält_innen dagegen Widerspruch ein, mit der Begründung, dass die Schnitte und Texte in der bearbeiteten Version Dinge des Originalvideos selektiv ausblenden und außerdem die Wahrnehmung des Inhalts beeinflussen würden. Dem Antrag wurde stattgegeben und so wird Zeugin Haase uns in Zukunft leider wieder begegnen um das Video zu kommentieren.
Daraufhin wurde der Zeuge Petzsch rein gerufen. In der unheimlich detaillierten Ausführung seiner Wahrnehmung des Tages der Demonstration, kam es auch bei ihm schnell zu der rassistischen Verwendung des Wortes Phänotyp. Er erinnerte sich daran die Person nach Entmummung „phänotypisch als Grieche oder Spanier“ eingeordnet zu haben. Auf die Spitze trieb es dann die selbstverständliche Bejahung der Nachfrage der Anwältin ob dieses Wort gängige Sprachpraxis in seinem Polizeiumfeld sei. Für uns ist es nur eine weitere Bestätigung: Es lässt sich nicht auf die Zeugin Haase reduzieren – die Polizei ist strukturell rassistisch. Auch waren die Fragen der Anwält_innen im Hinblick auf Absprachen und Zusammenarbeit zwischen Haase und Petzsch besonders interessant anzuhören. Die beiden sind sich beide anscheinend nicht sicher wie sie wann oder wie lange oder überhaupt miteinander sprechen – dabei sind sie doch ein „langjährig eingespieltes Team“.
Nach patzigen und frechen Kommentaren zu den Fragen von Balus Anwältin wird Zeuge Petzsch schließlich entlassen. Damit kommt es zum Ende des Prozesstages mit einer Überraschung: Balus Anwältin beantragt, die Aussage des Zeugen Petzsch nicht zu verwerten. Ihre Begründung wird zum nächsten Mal schriftlich eingereicht und Entscheidung dann beim nächsten Termin verkündet – es bleibt also spannend!
Der Stress geht weiter
Auch für die Unterstützer_innen blieb es bei dem zweiten Prozesstag wieder spannend. Die Cops ließen keine Chance aus, um eine Atmosphäre des Unbehagens zu schaffen. Ein_e Unterstützer_in wurde während des Prozesses draußen von einigen Cops genervt. Sie gleiche einer gesuchten Person und solle sich einer ED-Behandlung unterziehen. Nach langem diskutieren zogen sie nach einem Kontrollieren des Ausweises wieder ab. Natürlich wurden keine weiteren Gründe genannt.
Eine weitere Gruppe Unterstützer_innen wurde nach dem Gerichtstermin auf ihrem Weg in ein Restaurant von einer Wanne verfolgt. Die Cops blieben dreisterweise noch vor dem Restaurant stehen und sahen ihnen beim Essen zu.
Auch in Zukunft wird wohl an jeder Ecke versucht werden die Unterstützer_innen zu kriminalisieren – umso wichtiger, dass wir zum nächsten Prozesstermin wieder zahlreich erscheinen!
Der nächste Prozesstermin ist am 01.11. – selber Ort, selbe Zeit!
Freiheit für Aaron, Cem, Ali und alle anderen Gefangenen!
1Die Begründung der Anwältin der Rechtmäßigkeit stützte sich auf ein Gerichtsurteil vom Bundesgerichtshof. Geurteilt wurde, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz verletzt sei, wenn ein_e Besucher_in mit besonderen Privilegien den Gerichtssaal betreten hätte (z.B. als Polizeibeamt_in über den Nebeneingang mit Dienstausweis) und somit vor eine_r_m anderen Besucher_in den Platz bekommt. Insbesondere war dies hier relevant wegen der beschränkten Sitzplatzverteilung. In diesem Falle stellte das ganze einen Revisionsgrund dar.