[B] 6. Prozesstag gegen Balu

Das Moabiter Absurditätenkabinett geht in die nächste Runde. Am Dienstag, den 13.12. (kein Scherz!) fand der 6. Prozesstag gegen Balu statt. Dieses Mal in den…

…Hauptrollen: Pit-Frederik Weber: beflissener Bereitschaftspolizist, der mehr sieht, als wir alle zusammen // Andreas Vater: tollkühner Zugführer, der sich schon morgens beim Kaffee über Indymedia auf dem Laufenden hält und ganz schön durchblickt

…Nebenrollen: Herr Dr. Julio: Stellvertreter für Sadri-Herzog – er hatte eine schicke Fliege // Die Richterin: gelangweilt, genervt und müde

Erster Akt – Ich sehe was, was du nicht siehst

Zeuge Weber hatte schon am letzten Prozesstag behauptet, er hätte einen Tritt in die Genitalien und einen Faustschlag gegen seinen Helm abbekommen. Damals hatte er zwar nichts auf den vorliegenden Aufnahmen erkennen können und das “richtige” beweisende Video blieb verschollen. Doch besagtes Video konnte mysteriöserweise nicht gefunden werden und nun erschien ihm auf den gleichen Aufnahmen vom letzten Prozesstag (die er sich noch mehrmals angesehen hatte, um seine Erinnerungen aufzufrischen) der Sachverhalt auf einmal glasklar.

Bloß konnte leider noch immer keine andere Person Tritt und Schlag sehen – also Tritte und Schläge, die von den Demonstrant*innen ausgingen. Die Cops teilten auf dem Video dafür umso beherzter aus. Wirklich zu interessieren schien es die Richterin aber trotzdem nicht, dass sich die Aussagen von Herrn Weber zu ungefähr Null Prozent mit dem Video deckten.

Das vorliegende Videomaterial war übrigens mal wieder im höchsten Maße suggestiv. So hatte die bearbeitende Person explizit Szenen herausgeschnitten und andere in Zeitlupe gesetzt, bei denen sie glaubte, den Angeklagten erkannt zu haben. Genau diesen Punkt versuchte die Verteidigung geltend zu machen. Die Richterin konnte diese Einwände allerdings auch nach ausführlicher Eröterung nicht verstehen und reagierte standardmäßig gelangweilt und genervt.

Zweiter Akt – Das reine Herz des Zeugen Vater

Zugführer Vater gab offen zu, dass er alle “jungen Kollegen” schult, was Aussagen vor Gericht angeht. Dies hat er auch bei Weber getan, u.a. auf der Weihnachtsfeier am Vorabend des sechsten Prozesstages. Inhaltlich hätten sich die beiden natürlich nicht über das laufende Verfahren unterhalten, das käme ja einer Absprache unter unabhängigen Zeugen gleich und würde am Ende noch die ganze Glaubwürdigkeit untergraben!

Zeuge Vater ist da nämlich “reinen Herzens” und betonte, dass er immer ganz akkurat die Kolleg*innen anweist, untereinander keine Absprachen zu laufenden Verfahren zu treffen. Wir können uns das ungefähr so vorstellen: Weber, Vater & Co sitzen zusammen, um gemeinsam das Videomaterial zu sichten und zu bearbeiten – schweigend, versteht sich. Die Demo und der kommende Prozess sind zwar über Wochen Thema (Vater betonte, dass der 09.07. für ihn und seine Einheit “DER wichtigste Einsatz 2016” war), doch inhaltlich tauschen sich die Kolleg*innen natürlich nur über den leckeren Glühwein auf der Weihnachtsfeier, die letzte Disskussion auf Copzone.de und die kommende Handschuhbestellung aus.

Dritter Akt – Vater blickt durch: Tipps & Tricks zu Demostrategien

Insgesamt hatte Herr Vater seine Rolle größtenteils professionell und sorgfältig einstudiert. Er gab an, dass er bereits während der Vorkontrollen mit Thunfisch und Balu diskutiert hatte, dadurch seien ihm die beiden nämlich besonders aufgefallen. Thunfisch hätte ihn bei dieser Gelegenheit wohl dazu aufgefordert, doch besser seinen Job zu kündigen – ein weiser Ratschlag, wie wir finden.

Als ausgefuchster Polizeibeamter konnte er uns auch die Funktionsweisen von kurzen Fahnen auf Demonstrationen erklären. Sie werden nämlich dazu genutzt – das hat Vater schließlich in Schulungen gelernt – “Signale” an die Demo zu geben. Schwarze und rote Fahnen würden zum Beispiel dazu benutzt “polizeifreie-Räume” zu kennzeichnen oder gar das “Angriffssignal” zu geben. Also ungefähr so: Die rote Fahne wird im Dreieck geschwenkt und *zack* weiß die ganze Demo: Jetzt können wir einem Pit-Frederik vors Visier hauen. Ganz schön beeindruckend!

Ein netter Tipp zu Antirepressionsstrategien war allerdings Vaters Einschätzung zu Kettenbildung: Diese seien tatsächlich hevorragend dafür geeignet, Festnahmen von Demonstrant*innen zu verhindern. Und der Grund dafür, dass es an jenem Tag bis fast zum Ende der Demo keine Freigabe für Festnahmen gab, war übrigens die Angst vor Straßenschlachten!

Ein bisschen unsicher im Text wurde Zugführer Vater allerdings, als es um so nebensächliche Details wie seine eigenen Verletzungen ging. Zwar wurden seine vier bis fünf Verletzungen in der offiziellen Statistik von insgesamt 123 verletzten Cops im Kontext der Demonstration angeführt. Aber wo und wie er jetzt genau verletzt wurde, daran konnte er sich nun wirklich nicht mehr erinnern.

Wir denken: WAS FÜR EIN THEATER!

Der nächste und höchstwahrscheinlich letzte Prozesstag findet am 03.01.2016 um 10 Uhr im Raum B218 im Amtsgericht Tiergarten (Wilsnacker Straße) in Berlin statt.

Kommt vorbei und zeigt euch solidarisch – lassen wir die Betroffenen nicht alleine!