(B) Urteil gegen Balu gesprochen

Am 7.2. fand der 10. und vorerst letzte Prozesstag gegen Balu statt. Er wurde heute zu 1 Jahr und 7 Monaten Haftstrafe, ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung und 200 Sozialstunden, „um der Gesellschaft etwas zurückzugeben“ (Richterin Peck), verurteilt.

Staatsfeindlich, polizeifeindlich, rechtsfeindlich – das Plädoyer von Sadri-Herzog

Die Staatsanwältin Janine Sadri-Herzog hat sich durch ihre theatralische Leistung erneut besonders hervorgetan. In ihrem Abschlussplädoyer redet sie, den Tränen nahe, von prasselnden Steinen und den 123 verletzten Bullen, die doch nur dafür da waren, um die Teilnehmer*innen der Demo vor Rechten und sich selbst zu schützen. Detailliert und minutiös gab sie das Demogeschehen wieder und schilderte ihre Sicht auf die Ereignisse vom 9.7.2016. Gleich zu Anfang nennt sie den Wohnort der Anmelderin. AK36, RLB, NEA sowie diverse Antifa- und autonome Gruppen finden ebenfalls ihren Platz, da sie wohl zur Demo aufgerufen haben. Auf ca. 15 Seiten schwadronierte sie über Rechtstaat, Gewalt gegen Polizist*innen und letztendlich auch über Gentrifizierung. Während sie Vergleiche zu Kriegsschauplätzen zog, betonte sie wieder und wieder die Unerschütterlichkeit und Vehemenz des Rechtstaates. Wie dieser Rechtstaat tickt und arbeitet, wurde eindrücklich in den vergangenen zehn Prozesstagen unter Beweis gestellt. Abgesprochene Aussagen, die unter Druck des LKA enstanden, rassistische Ressentiments und Einschüchterung von Prozessbeobachter*innen.

Neu für uns war, dass sogenannte „Sicherungsglocken“ nur dem Schutz der Festgenommenen dienen würden und die Bullen heldenhaft und „ausgerüstet für den Krieg“ sich den Flaschen und Steinen in den Weg stellen, die von anderen Demoteilnehmer*innen geworfen werden. Darüber hinaus wurde der Verteidigung „inquisitorisches“ Befragen der Zeug*innen vorgeworfen und den Prozessbeobachter*innen „menschenverachtendes“ Verhalten zugeschrieben, da diese die Steinwürfe auf den Demovideos mit Lachen quittiert hätten. Die Räumung der Kadterschmiede war ihrer Meinung nach immer noch legal – sie hat sich das Urteil des Landgerichtes dazu wohl nicht richtig durchgelesen.

Balu wirft sie zudem sein Schweigen während der Verhandlung vor.

Abschließend forderte sie für den Vorwurf des schweren Landfriedensbruches, der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung in 2 Fällen, der versuchten gefährlichen Körperverletzung, Widerstand und Beleidigung eine Haftstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten.

Verteidigung

Die Verteidigung demontierte die Aussagen der Bullenzeug*innen in einer längeren Ausführung zu Berufszeug*innen, ihrer Nähe zu Staatsanwaltschaft und Gericht und anhand einer Analyse zu Wahrnehmung, Korpsgeist, Belastungseifer und erfolgten Absprachen. Vor allem die beiden zivilen Tatbeobachter*innen Haase und Petsch haben sich offensichtlich gut abgesprochen.

Interessant war der Punkt der Vorbereitung. Dass die zivile Tatbeobachterin Haase bis zu 12 Stunden auf Arbeit sitzt und laminierte Karten zum Prozess mitbringt oder Herr Vater bei der Weihnachtsfeier seinen jüngeren Kollegen eine gute Aussage eintrichtert, widerspricht den Grundlagen der Zeug*innenvernehmung, macht dem Gericht aber natürlich nichts aus.

Die Vergleiche zu „bürgerkriegsähnlichen“ Zuständen, die von Sadri-Herzog gebracht wurden, wurden zudem als menschenverachtend bezeichnet und einige ihrer Anschuldigungen zurückgewiesen. Zum Vorwurf der Beleidigung wurde zudem auf die jüngste Rechtsprechung zu ACAB verwiesen. Die Anwält*innen bezogen Position. Nach dem, was sich die Bullen in der Rigaer Straße geleistet haben, wären die Reaktionen der Demoteilnehmer*innen nur folgerichtig und nicht verwunderlich. Zudem wiesen sie auf zahlreiche Widersprüche in den Aussagen der Bullen hin, werteten die Beweise als unzulänglich und forderten einen Freispruch in allen Anklagepunkten.

Balu verlas nach der Rede der Verteidigung eine politische Erklärung, die von den Prozessbeobachter*innen mit lautem Beifall beantwortet wurde.

Nach dem Plädoyer der Verteidigung wurde die Verhandlung für ca. eine Stunde unterbrochen, da sich Richterin Peck mit den beiden Schöffinnen zur Urteilsfindung zurückzog.

Das Urteil und die Begründungen der Richterin

Die Richterin schloß sich in weiten Teilen der Argumentationslinie Sadri-Herzogs an. Dass sie dafür eine Stunde Vorbereitung gebraucht hat, ist schon echt beachtlich. Wie zu erwarten war, wurden weder die offensichtlichen Absprachen noch die Rolle des LKA in das Urteil mit einbezogen. Zudem wurden keine Argumente der Verteidigung auch nur im Ansatz berücksichtigt, womit sie nicht von ihrer Linie der vorherigen Prozesstage abgewichen ist. Stattdessen machte Peck der Verteidigung Vorhaltungen zur Prozessstrategie, beleidigte diese und erfreute sich sichtlich an ihrer Machtposition. Zu erfolgten Absprachen sieht sie keine Anhaltspunkte und Haase und Petsch seien natürlich „keinerlei Belastungstendenzen“ nachzuweisen.

Ein 7-Sekunden Video soll einen der verurteilten Steinwürfe einwandfrei bezeugen, tatsächlich ist darauf außer verschwommenen Gestalten nicht viel zu erkennen. Da Balu zur Tatzeit jedoch am Tatort war, wie hunderte Andere übrigens auch, reicht Peck aber ihm den Steinwurf vorzuwerfen.

Sie unterstellte Balu eine schlechte Sozialprognose und verurteilte ihn schließlich für besonders schweren Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung und Beleidigung. Auch wenn es nicht zu einer Haftstrafe kam, ist eine Verurteilung ohne klare Beweise mit 1 Jahr und 7 Monaten hoch angesetzt. Zudem forderte sie Sadri-Herzog die nicht verurteilten Anklagepunkte der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung doch in einer neuen Anklageschrift und somit in einem neuen Prozess zu verarbeiten. Wahrscheinlich kann sie mit diesem Urteil in der Karriereleiter etwas weiter nach oben klettern und hat sich damit ein Abendessen mit dem abgedankten Frank Henkel verdient.

Wir sehen uns wieder einmal darin bestärkt, den Kampf gegen den Staat, seine Freunde und Helfer fortzuführen, jede Auseinandersetzung mit den Feinden der Freiheit stellt daher eine Herzensangelegenheit dar. Wir denken nach wie vor, dass eine andere Welt nicht nur möglich sondern zwingend nötig ist. Dieses Denken solte sich auch in unseren Handlungen widerspiegeln.

Soligruppe Aaron und Balu