Während der G 20 Proteste kam es zu ca. 200 Festnahmen. Von diesen 200 sitzen ca. 50 nach wie vor in U-Haft. Wir denken, dass mit weiteren Verhaftungen unbedingt zu rechnen ist. Denn: Wenn immer wir angreifen, wird der Staat mit all seinen Mitteln zurückschlagen. Wann das sein wird, wissen wir nicht. Dennoch haben wir jetzt noch die Möglichkeit uns darauf vorzubereiten, Klarheit zu verschaffen, Absprachen und Vorkehrungen zu treffen. Dies sollte besonnen und ohne Panik von statten gehen.
Deswegen hier ein Versuch einen kurzen, hoffentlich übersichtlichen Reader zu praktischer Soligruppenarbeit für Gefangene zusammen zustellen. Dieser Reader behandelt U-Haft für Erwachsene. Viele Fragestellungen sind nur kurz angerissen, weil es in diesem Rahmen nicht möglich ist, alle Facetten dazulegen. Vielmehr sollen erste Gedankenanstöße zu für eine differenzierte Auseinandersetzung innerhalb von Gruppen geliefert werden. Viele der Punkte, die damit zu tun haben, wie Knäste funktionieren, können im Einzelfall anders laufen als beschrieben, denn jeder Knast und jedes Bundesland hat seine eigenen Bestimmungen und die werden auch noch hin und wieder verändert, d.h. für die Gefangenen meist verschlechtert.
Text als pdf- Broschüre downloaden
1stes Kapitel: Die Haft
Verhaftung
Auf Demos sind Bezugsgruppen und eine gemeinsame An- und Abreise mit vertrauten Menschen unverzichtbar. So bekommt ihr mit, wenn jemensch festgenommen wird und könnt dann entsprechend handeln. Im Idealfall wurde vorher schon mal über solch eine Situation in der Gruppe gesprochen.
Eure ersten Schritte hängen sehr davon ab, in welchem Rahmen die Verhaftung eurer Genoss*in statt findet: Befindet ihr euch auf einer großen Demo oder sonstiger Großlage, dann ruft ihr den EA an, eventuell auch die Anwält*in der betroffenen Person. Wenn die Person wieder frei kommt, vergesst nicht, die Person beim EA wieder abzumelden. Geht jemensch in einer chaotischen Situation z.B. nächtlichen Aktion verloren und ihr Verbleib ist ungewiss, wartet zunächst einige Stunden am Nachtreffpunkt. Taucht die Person in den nächsten Stunden nicht wieder auf, fahrt in Krankenhäuser oder zu Bullenwachen. Seid euch aber im klaren, dass die Bullen dort schon auf euch warten könnten.
Was ist der EA?
Der EA sammelt neben allgemeinen Informationen zu Übergriffen, Ingewahrsamnahmen und Festnahmen hauptsächlich die Namen und Geburtsdaten von Verletzten und Fest-/ Ingewahrsamgenommenen.
Er hält Kontakt zu AnwältInnen und gewährleistet so, dass die Festgenommenen rechtzeitig einen Rechtsbeistand zur Seite gestellt bekommen. Außerdem versucht der Ermittlungsauschuss herauszufinden, auf welche Wachen und Gefangenensammelstellen (GeSa) die Leute gebracht wurden und den Vorgang dort zu beschleunigen.
Haftbefehl
Wenn die Staatsanwaltschaft glaubt ausreichende Beweise für einen „dringenden“ Tatverdacht zu haben und sogenannte Haftgründe vorliegen, kommt es zu einer Vorführung vor den Haftrichter, dieser verkündet dann nicht selten den Haftbefehl, welcher U-Haft bedeutet. Die vier sogenannten Haftgründe sind: Flucht-, Verdunkelungs – oder Wiederholungsgefahr und besonders schwere Tatvorwürfe (u.a. Mord, Totschlag und § 129a). Wichtig: Bis zum Ablauf des nächsten Tages nach der Verhaftung muss die Vorführung vor den Haftrichter erfolgen!Eine Aussage zur Sache wendet keine Untersuchungshaft ab, egal, was zu den Tatvorwürfen gesagt wird! Menschen haben das Recht eine*n Anwält*in dabei zu haben!
Haftprüfung
Durch die Haftprüfung wird der Haftbefehl geprüft. Manchmal besteht die Chance, dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird, d.h. eure Gefährt*in kommt erst mal frei. Der zweite Haftprüfungstermin kann zwei Wochen nach eurer Verhaftung und der Verkündung des Haftbefehls stattfinden, dieser muss aber durch eure Anwält*in beantragt werden.
U-Haft
Ist in der Regel Einzelhaft. In manchen Knästen gibt es eine „Eingewöhnungszeit“, was faktisch Isolationshaft bedeutet. U-Haft wird dafür benutzt individuellen Widerstand zu brechen und zu isolieren, wodurch versucht wird Verhaftete in eine scheinbar aus weg lose Situation zu bringen. Es soll keine andere Möglichkeit mehr gesehen werden als auf “Deals“ der Justiz einzugehen: mensch soll reden, die Tat eingestehen, sich entschuldigen, distanzieren oder Gefährt*innen belasten. Außerdem soll so ein deutliches Zeichen an die Freundeskreise, Bezüge, Gruppen der*des Betroffenen oder auch an die ganze Szene gesendet werden das einschüchtert und abschreckt. Die U-Haft sollte eigentlich maximal 6 Monate dauern, in dieser Phase muss die Anklage erhoben werden und ein Prozesstermin absehbar sein. Die U-Haft kann allerdings auch beliebig verlängert werden, wenn befunden wird das es ein kompliziertes Verfahren ist. U-Haftgefangene unterstehen einer strengeren Kontrolle der Kommunikation nach Draußen.
Strafhaft
Aus der U-Haft kann eine Strafhaft werden, das bedeutet der Prozess ist abgeschlossen und das Urteil rechtskräftig. Das bedeutet nicht, dass die Soliarbeit weniger gebraucht wird. Insgesamt wird es für die Soligruppe aber schwerer das Thema in der (Szene)Öffentlichkeit zu halten, da einfach „weniger passiert“ (keine Haftprüfungstermine, Gerichtstermine,etc.)
2tes Kapitel: Die ersten Schritte… direkt nach der Verhaftung
Wohnung aufräumen!
Spätestens wen der Verdacht besteht, dass ein*e Genoss*in verhaftet wurde, ist es wichtig ihre*seine Wohnung zu checken und belastende Materialien zu entsorgen und Rechner, Telefone, USB -Sticks, Tagebücher, Adressbücher, etc. an einen sicheren Ort zu bringen. Ebenso sollten eventuelle Haustiere anderswo untergebracht werden. In WGs und Hausprojekten ist es wichtig Mitbewohner*innen von der Situation zu berichten ohne Panik zu verbreiten.
Anwältin kontaktieren
Es ist wichtig das ihr euch im Vorfeld in euren Bezügen darauf verständigt ab welchem Zeitpunkt der*die Anwält*in des*der Betroffenen kontaktiert wird und dann wie besprochen verfahrt. Ist keine Absprache getroffen worden, liegt es im eurem Ermessen. Anwält*innen können euch auch dabei helfen eine verlorene Person zu finden und zu prüfen, ob die Person im Knast ist.
Familie kontaktieren
Die Familie der betroffenen Person zu kontaktieren ist kein leichter Schritt, insbesondere wenn im Vorfeld kein Kontakt zu dieser Bestand. Deshalb auch hier: Absprachen treffen! Wer kontaktiert im Fall des Falles die Familie? Und wann? Oft übernehmen diese Aufgabe auch Anwält*innen bei voriger Absprache und hinterlegter Telefonnummer.
3tes Kapitel: Zweite Schritte
Gruppenfindung
Im Idealfall wird die Soliarbeit für die Betroffene durch den Freundeskreis und / oder die Bezugsgruppe organisiert. Wen die Verhaftung jedoch in einer anderen Stadt oder Land erfolgte sehen wir hier die ausrichtende Gruppe der Aktion bei der die Person verhaftet wurde in der Verantwortung
sich um Soliarbeit zu kümmern. Generell gilt das es wichtig ist innerhalb der Gruppe feste Verbindlichkeiten festzulegen bspw. wer verwaltete das Soligeld, wer hält den Kontakt zur Anwält*in und Familie? Wen es in eurer Stadt eine arbeitende Antirepresionsgruppe oder Antiknastgruppe gibt kann es Sinn machen die Soliarbeit mit ihnen zusammen zu gestalten.
Laufende Kosten
Werden aus Wochen der U-Haft Monate, macht es Sinn sich über die laufenden Kosten der inhaftierten Person im Klaren zu werden, denn sie soll nach der Freilassung die Möglichkeit haben ihr Leben wie gewohnt weiter zu führen. Wie kann das mit der Miete geregelt werden? Wann ist der Semester Beitrag fällig? Bei diesen Fragen kommt es sehr darauf an wie die*der Gefangene selbst finanziell aufgestellt ist. Sind Familie und Umfeld bereit und finanziell gut genug aufgestellt um Kosten decken zu können? Muss die Soligruppe jeden Monat mehrere hundert Euro rein bekommen um laufende Kosten zu decken, geht das schnell an die Substanz und vieles andere bleibt liegen.
Arbeitgeber
Generell sollte dem Arbeitgeber Bescheid gegeben werden das die betroffene Person vorerst nicht zur Arbeit kommt. Sollte ein guter Kontakt zum Arbeitgeber bspw. In einem Familienbetrieb bestehen kann dieser auch ein Schreiben an das zuständige Gericht formulieren aus dem hervor geht warum die Betroffene unabdingbar für den Betrieb ist. Diese Verfahrensweise hat sich schon auf einige Prozesse positiv ausgewirkt
4tes Kapitel: Die Kampagne
Egal welche Absprachen ihr in euren Gruppen in Bezug auf eine Solikampagne getroffen habt, es kann sein, dass sich die Meinung einer Person sobald sie im Knast sitzt dazu ändert. Das kann viele Gründe haben und ist unbedingt zu akzeptieren. Wenn viele Personen bei/nach einer überregional beworbenen Sache z.B. große Demo oder Gipfel eingefahren sind und bis auf weiteres drin bleiben, macht es Sinn auf überregionaler Ebene eine Anlass bezogene Kampagne für alle Gefangenen zu fahren. Ob eine kleinere, zusätzliche, personenbezogene Kampagne in der Wohnregion des*der Betroffenen gefahren wird, muss im einzelnen diskutiert werden. Durch personenbezogene Kampagnen werden der*die Gefangene von der Szene leicht glorifiziert und in einen Held*innen – Status erhoben. Nicht jede*r Betroffene möchte das.
Auf Unschuldskampagnen sollte unserer Meinung nach unbedingt verzichtet werden, denn sie spaltet die Angeklagten in die guten Unschuldigen und die bösen Schuldigen. Uns sollte völlig egal sein, ob die Angeklagten im strafrechtlichen Sinne schuldig sind oder nicht. Im Kampf gegen den Staat und seine Verhältnisse, Nazis oder andere Unsympathen sind viele Mittel legitim. Vielmehr sollte es darum gehen in welchem Kontext Leute eingefahren sind, was sie wollen und wofür sie sich einsetzten. Wir sollten aus kämpfenden Subjekten keine Opfer machen.
Öffentlichkeitsarbeit
Es ist eine wichtige Aufgabe für die Soligruppe Öffentlichkeit zu generieren, damit der*die Gefangene nicht vergessen wird und auch externe Menschen sich einbringen, sei es durch Postkarten schreiben, zur Soliparty kommen oder eine organisieren, nachts Aktionen machen oder Geld spenden.
Deswegen: Designt Plakate, Sticker und Flyer, die ihr stadt-, landes-, oder bundesweit verteilt. Lasst Postkarten mit der Adresse drucken, dass mindert die Hemmschwelle zu schreiben für Andere. Habt eine gute Internetseite mit Briefkontakt, Spendenkonto, Prozessberichten, Soliparty- Ankündigungen, etc. Eine gute Möglichkeit ist das Organisieren von Demos oder Kundgebungen in der Nähe des Knastes. Wahrscheinlich bekommen einige Menschen hinter den Mauern das mit und freuen sich darüber. Ihr könnt mit der Presse reden und so versuchen, dass Thema in einer breiteren Öffentlichkeit zu verbreiten und Verhalten von Bullen und Justiz zu skandalisieren, klärt nur unbedingt vorher ab ob das für die*den Gefangene*n ok ist und wenn ja, mit welchen Zeitungen, Mediengruppen und Journalist*innen zusammengearbeitet werden darf. Veranstaltet Info events um über die Situation des*der Gefangenen und Repression und Gegenmaßnahmen zu berichten. Das ist eine gute Gelegenheit um zum Spenden aufzurufen für ein gemeinschaftliches Briefe -/Postkartenschreiben.
Aktionen
Der Wahl der Mittel um sich mit Gefangenen solidarisch zu zeigen sind vielfältig. Aktionen, die bist hinter die Knast mauern reichen, können Solifotos sein, Raketen, die über die Mauern geschossen werden und so den grauen Alltag erleuchten, sowie das Sprühen von Parolen und geilen Bildern oder direkten Aktionen gegen Knastprofiteur*innenen, Knastzulieferer*innen oder die Gesamtscheiße sein. Fotos und Artikel davon sollten in den Knast geschickt werden.
Spannungsfeld Familie <> Soligruppe
Es ist gut möglich, dass die Familie der inhaftierten Person von einer politischen und kämpferischen Kampagne oder militanten Einzelaktionen nicht so begeistert ist. Oftmals hegen sie die Hoffnung, dass der*die Gefangene durch ein devotes Nichtverhalten zu der Gesamtscheiße möglichst schnell aus dem Knast frei kommen wird. Deshalb ist es möglich, dass die Soligruppe als Bedrohung o.ä. wahrgenommen wird. Hier ist es wichtig sich sicher zu sein im Sinne des*der Gefangene zu handeln. Die Familie muss nicht mit allem einverstanden sein. Es macht allerdings Sinn mit ihr im Gespräch zu bleiben und feste Ansprechpartner*innen für die Familie in der Gruppe zu haben.
Spannungsfeld Anwalt <> Soligruppe
Ein enger Kontakt zur Anwält*in der gefangenen Person ist notwendig, denn es ist die einzige Möglichkeit etwas von der verhafteten Person auf einem Weg zu erfahren der nicht so stark überwacht wird wie euer direkter Kontakt zur*m Gefangenen. Wünsche und Bestellungen können so schnell an die Soligruppe herangetragen werden. Es ist möglich, dass ein gewisses Spannungfeld zwischen der Soligruppe und der Anwält*in entsteht, da der*die Anwält*in aus prozessstrategischen Gründen von einigen Aktionen abrät. Oft sind die Anwält*innen eher daran interessiert ihre Mandant*innen mit möglichst geringer Strafe möglichst schnell aus dem Knast zu holen und betrachten deshalb persönliche Angriffe auf Staatsanwalt*in oder Richter*in als dafür wenig förderlich.
Solikohle
Die Beschaffung von Kohle nimmt einen großen Teil eurer Arbeit ein, denn Soliarbeit kostet. Fangt frühzeitig damit an und motiviert auch andere Gruppen etwas beizutragen. Der Klassiker sind wohl immer noch Solipartys und Solicocktails, dennoch: lasst eurer Kreativität und kriminellen Energie freien Lauf.
Spendenkonto
Wen es in eurer Stadt eine Ortsgruppe der Roten Hilfe gibt, macht es Sinn das Spendenkonto über die RH laufen zulassen. Zum einen verfügt die Organisation über die passende Infrastruktur zum anderen ist es schier unmöglich geworden private Spendenkonten zu eröffnen, erschwerend hinzu kommt das wen die Bullen Druck auf die Banken machen die Konten eingefroren werden können. Achtet darauf das die Kontodaten auf all euren Outputs zu finden ist bspw. auf Flyern und Blogs! Neben dem Konto macht es Sinn über eine Bargeldkasse zu verfügen um Schnell handlungsfähig zu sein!
5tes Kapitel: Direkter Kontakt zur*zum Gefangenen
Buchnumer: die zugeteilte Nummer der*des Gefangenen im Knastbürokratiesystem
Besuche
In Berlin können Gefangene in U-Haft alle zwei Wochen für eine Stunde besucht werden. Dies ist mit hohen bürokratischen Hürden verbunden, da der Besuch zunächst bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden muss. Sobald eine Besuchserlaubnis besteht, kann der Besuchstermin mit dem Knast abgesprochen werden. Meistens dürfen bis zu drei Erwachsene zu einem Termin kommen. Natürlich ist es am schönsten, wenn die Besuchsterminen von Freunden und Familie wahrgenommen werden. Wenn die Person allerdings in einer anderen Stadt oder Land inhaftiert ist und das nicht jedes mal möglich ist, macht es Sinn, wenn unbekannte, solidarische Menschen die Person im Knast besuchen. Muss oder soll eine andere Sprache als Deutsch geredet werden, muss mensch ein*e vereidigte*r Dolmetscher*in mitbringen.
Jeder Besuch wird akustisch überwacht und Körperkontakt wird unterbunden. Denkt daran, einen gültigen Ausweis und Münzgeld (ca.15 Euro) mitzunehmen, denn im Besuchsraum gibt es Automaten wo sich die gefangene Person Süßigkeiten ziehen kann.
Post
Briefe und Postkarten zu bekommen, kann im Knast sehr wichtig sein. Denn sie können vermitteln, das die Gefangene nicht alleine ist und Briefe lesen und beantworten stellt eine Beschäftigung während des Einschlusses dar. Wenn ihr euren Freunden im Knast schreiben wollt, beachtet einige Dinge: schreibt nichts zum Verfahren/Vorwurf, nichts zu anderen, begangenen „Straftaten“ und nichts über Flucht und Meuterei. In der U-Haft wird jeder Brief gelesen. Nummeriert die Seiten und die Briefe, sodass nachvollziehbar ist, wenn ein Brief/Teile eines Briefs verschwinden. Es kann sinnvoll sein nicht eure staatlichen Namen und Adresse zu verwenden, sondern sich einen Alias auszudenken und sich die Antwort an den örtlichen Infoladen schicken zu lassen. In manche Knäste könnt ihr Gefangenen Briefmarken und Briefumschläge schicken, klärt das allerdings vorher ab. Wollt ihr öffentlich dazu aufrufen eurer gefangenen Gefährtin zu schreiben, dann klärt unbedingt vorher ab, ob er*sie fein damit ist, dass ihr Vor-und Nachname veröffentlicht wird. Es reicht nämlich auch die vom Knast an die Gefangenen vergebene sogenannte Buchnummer.
Schreiben auf anderen Sprachen
Rein rechtlich müssen Briefe in der Landessprache des*der Gefangenen an diese*n zugestellt werden. Es ist die Aufgabe der JVA die Briefe durch eine*n Dolmetscher*in für die Staatsanwaltschaft übersetzen zu lassen. Das bietet Raum für Schikanen, da die JVA behaupten kann, gerade keine*n Dolmetscher*in zur Verfügung zu haben. Schreibt am besten einen Disclaimer auf den Brief, dass der bei nicht – zustellung unter Angabe von Gründen an die Absender Adresse zurück zu senden ist. Auf Englisch könnt ihr schreiben, die Staatsanwaltschaft ist angewiesen das zu verstehen.
Telefonieren
In den meisten Knästen gibt es kein Telefon auf den Zellen, sondern auf dem Flur. Möchte ein*e Gefangene*r mit einer Person telefonieren, muss er*sie das beantragt werden. Die Person muss dann noch schriftlich zustimmen, dass die Gespräche überwacht werden. Jetzt benötigt der*die Gefangen*e auch noch Guthaben auf der Telefonkarte um völlig überteuert telefonieren zu können. Besonders die Kosten für Gespräche ins Ausland sind übertrieben!
6tes Kapitel: Praktische Hilfen
Jeder Knast hat seine eigenen Regeln und Vorschrift, wie er die folgenden Dinge handhabt.
Wäsche
In jedem Knast gibt es ein festgelegtes Kontingent an Wäsche, Schuhen und Bettwäsche, dass die Gefangenen haben dürfen. Informiert euch darüber und gebt die Wäsche im Knast ab. Die Gefangenen können die Wäsche entweder selber per Hand in den Zellen waschen oder von Externen waschen lassen. Fragt beim Knast nach den Regelungen.
Geld/Einkaufen
Es ist wichtig, dass die Gefangenen Geld auf ihrem Hauskonto haben, da es benötigt wird um Lebensmittel, Tabak, Telefonkarten, etc. kaufen zu können. All diese Dinge sind unglaublich teuer und werden nach Bestellung alle zwei Wochen direkt auf die Zellen geliefert. Wenn ihr der Gefangenen Geld zukommen lassen wollt, dann müsst ihr es auf ein Konto der JVA überweisen unter Angabe von Name und Buchnummer.
Technik
Für U-Haft-Gefangene ist es am praktikabelsten Fernseher und Radio zu beantragen und dann zu mieten. Eigene Geräte müssen bei einer Firma abgegeben werden und werden kostenpflichtig kontrolliert und verplompt. Oft sind auch DVD – Player und Spielkonsole erlaubt, meist können dann in der JVA Bibliothek Spiele und DVDs ausgeliehen werden. Handys und Computer sind nicht erlaubt.
Lesematerial
Bücher müssen von den Gefangenen beantragt werden – mit Titel und lieferndem Buchladen. Die Bücher müssen in der Regel eingeschweißt sein. Wege durch den Knast? Ihr könnt auch Zeitungsabos für die Gefangenen mit deren Namen und Buchnummer abschließen. In der Regel sind 3 Tageszeitungen und eine Monatszeitschrift erlaubt.
Pakete
Faktisch sind Pakete für U-Haft-Gefangene abgeschafft worden. Ihr könnt trotzdem versuchen die JVA deswegen zu nerven.
7est Kapitel: Prozess
Zuschauer*innen
Für die angeklagte Person ist es schön im Gerichtssaal zumindest unter den Zuschauer*innen viele wohlgesonnene Gesichter zu sehen. Deshalb kündigt Prozesstermine rechtzeitig an und organisiert die zahlreiche Anreise. Vielleicht wollt ihr eine Aktion im Gerichtssaal machen? Seid euch aber im Klaren, dass es bei politischen Prozessen zu massiven Sicherheitskontrollen bei den Zuschauer*innen kommen kann. Das heißt Taschenkontrollen, Abtasten, Perso kopieren, dem Verbot von Essen, Trinken, Mützen und Schals. Das kostet neben Nerven auch viel Zeit.
Prozessbeobachter*innen & Berichte
Es ist wichtig, dass sich einige Menschen im Gerichtssaal Notizen machen, damit zeitnah ein Prozessbericht erscheinen kann. Ob Alle alles mitschreiben oder sich einzelne Menschen auf einzelne Protagonist*innen konzentrieren, solltet ihr vorher festlegen. In welchen Umfang der Bericht veröffentlicht wird, müsst ihr diskutieren. Im laufenden Verfahren sollte allerdings darauf verzichtet werden, Widersprüche in Zeugenaussagen zu veröffentlichen, denn auch Bullen etc. lesen Indymedia!
8tes Kapitel: Soliarbeit & Repressionen
Durch die Soliarbeit rückt auch ihr in den Fokus der Repressionsorgane, denn Knast soll ja Menschen isolieren und jedes dagegen – an – arbeiten wird vom Staat misstrauisch im Blick behalten. Bemüht euch deswegen so sicher wie möglich zu arbeiten. Kommuniziert verschlüsselt und wickelt so wenig wie möglich über eure Privatkonten und staatlichen Namen ab. Es kann passieren, dass versucht wird der*dem Gefangenen eure Arbeit anzulasten. Nicht selten wird dann von der Staatsanwaltschaft über die gute Vernetzung, die angeblich das Untertauchen möglich machen würde und das generell Straftaten begünstigende, kriminelle Umfeld geschwafelt. Davon sollte sich aber niemensch einschüchtern lassen.
Letzte Gedanken:
Es ist scheiße und überflüssig, dass unsere Freund*innen wegen irgendwelcher Vorwürfe von unserer Seite gerissen werden und dazu verdammt sind in Langeweile und Fremdbestimmung auf die Dinge warten zu müssen, die da kommen. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass sie es vergleichsweise gut haben, denn sie haben motivierte Anwält*innen und uns! In den Knästen versauern viele Gefangene, die kein deutsch sprechen und sich deswegen in der Knastbürokratie nicht zurecht finden, die keine Bücher lesen können, die kein Geld haben für eigenes Essen oder Telephon und niemensch, der*die ihnen schreibt und sie unterstützt!
Gruppen wie das Redaktionskollektiv „Wege durch den Knast“, Kiralina, Anarchist Black Cross, das Free Mumia Bündnis und viele weitere leisten auf diesem unbeliebten Themenfeld tolle Arbeit, die nach Kräften und Kapazitäten unterstützt gehört! Deshalb der Aufruf an euch: Schreibt Gefangenen, schafft Öffentlichkeit und unterstützt die Soli – und Antirepressionstrukturen, denn eine Bewegung, die sich nicht um ihre Gefangenen kümmert, ist politisch tod!