Der G 20 ist vorbei und die meisten von uns sind mehr oder weniger sicher und heil zu Hause angekommen und erholen sich von diesen aufwühlenden und feurigen Tagen. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass einige unserer Freund*innen und Genoss*innen nach wie vor gefangen gehalten werden. Unsere Gedanken und Herzen sind bei ihnen und wir hoffen, dass sie sich auf diesen Fall vorbereitet und Absprachen mit ihren Umfeld getroffen haben. Dass es sich bei diesen 45 Inhaftierten Menschen nur um die ersten Verhafteten handelt, sollte allen klar sein. Denn: Politiker*innen aller Lager haben die „Autonomen“ abermals zu Staatsfeinden Nummer 1 erklärt und der Bullenstaat versucht mit Hilfe neuster Gesetze und technischen Errungenschaften jeden subversiven Widerstand auszuspionieren und im Keim zu ersticken. Angeheizt wird dies durch Medien und Schaulustige die mit bereitgestelltem Video und Bildmaterial die Menschenjagd bereits eröffnet haben.
Dieser kleine Antirepressionsbeitrag richtet sich vor allem an junge und neue Menschen in der „Szene“. Menschen, die oft noch nicht fest organisiert sind und die vielleicht das erste Mal die Konfrontation mit dem Staat gesucht haben. Dennoch ist es nötig, dass wir „Älteren“ uns auch regelmäßig daran erinnern was vor dem Falle des Falles zu tun ist. Die Punkte, die wir aufzählen sollten größtenteils im Vorfeld von Aktionen geklärt und getan werden. Wir wissen allerdings aus Erfahrung, dass mensch nicht immer das tut, was mensch tun sollte, deshalb noch mal der Appell an alle, jetzt zu handeln.
Was kann passieren?
Um Druck auf Aktivist*innen auszuüben ist eins der praktikabelsten Mittel aller Repressionsbehörden Hausdurchsuchungen durchzuführen. Diese Art des staatlich legitimierten Wohnungseinbruches verfolgt hierbei mehrere Aspekte der Repression. Zum einen wird durch die Durchsuchung ein psychischer Druck auf euch ausgeübt, der verdeutlichen soll das die Behörden jederzeit in den Privaten Lebensraum eindringen können. Zum anderen geht es darum Dinge zu beschlagnahmen, die gegen euch in Ermittlungsverfahren verwendet werden können. Zudem hat sich in den letzten Jahren eine ungeheure DNA Sammelwut herauskristallisiert und wird mittlerweile flächendeckend praktiziert. Ist eure DNA erst einmal abgenommen ist es zwar möglich gegen die Löschung aus den Datenbanken gerichtlich vorzugehen, bis das jedoch passiert wird sie zur „Strafverfolgung“ freigegeben. Hier macht es Sinn mit eurem Anwalt * Anwältin des Vertrauens Strategien zu besprechen und dagegen vorzugehen.
Was wir jetzt noch tun können!
Wir sollten schleunigst aufhören zu glauben, dass nur Menschen von Strafverfolgung und Hausdurchsuchungen betroffen sein werden, die „etwas gemacht haben“ also militant agiert haben, wohin gegen Menschen, die „nur mitgelaufen sind“ davon verschont bleiben. Dieser Gedankengang offenbart ein bürgerliches Vertrauen in die Exekutive, Judikative und Legislative, das weder angemessen ist noch der Realität entspricht. Wir können noch nicht wissen, wer mit wem und was versucht wird in Verbindung gebracht zu werden. Deshalb sollte es jetzt unsere Aufgabe sein dem Staat in seinem Verfolgungswahn so viele Steine wie machbar in den Weg zu legen und Spuren möglichst nicht zu produzieren, oder aber sie konsequent zu verwischen.
Wohnung aufräumen!
Das bedeutet, das unter anderem Handys, Speichermedien, Stadtpläne, Aktionskarten und Kleidung, die im Zusammenhang mit Aktionen stehen zu entfernen sind. Euer PC solltet verschlüsselt sein! In Zeiten der digitalen Massenüberwachung sollte der sichere Umgang mit dem PC zur (täglichen) politischen Praxis gehören. Für diejenigen bei denen diesbezüglich noch offene Fragen bestehen empfehlen wir : Ubuntu und Tails sowie Tor! Überlegt euch welche Beifunde – wie Drogen, Waffen, Feuerwerk und Graffittizeug – bei euch gefunden werden könnte und denkt euch Strategien aus das Risiko zu minimieren.
Sucht euch eine coole Anwält*in!
Gute und politische Anwält*innen finden sich mittlerweile in fast allen (größeren) Städten. Jede*r die*der sich über einen längeren Zeitraum politisch betätigt und / oder in politischen Kontexten bewegt, sollte über einen Anwaltskontakt verfügen. Es ist sinnvoll eine Vollmacht zu unterzeichnen und zu hinterlegen, so das der*die Anwält*in sich im Fall einer Verhaftung sofort um die rechtlichen Belange kümmern kann und ihr schnell wieder draußen seit!
Sprecht in euren Bezugsgruppen & eurem Freundeskreisen
Nach Großereignissen wie dem G20 Gipfel werden oft Sonderkommissionen eingerichtet und der Verfolgungsdruck steigt. Von den Maßnahmen der Sokos und anderen Ermittler*innen können wir alle betroffen sein! Überlegt euch deshalb im Vorfeld, was ihr euch als Betroffene an Support wünschen würdet wenn ihr in bspw. Untersuchungshaft landet. Es macht Sinn dies in euren Bezugsgruppen zu besprechen. Tauscht Anwalts- und Familienkontakte in euren Strukturen aus und haltet gegebenenfalls schriftlich fest, was ihr euch von eurer Gruppe oder eurem Freundeskreis wünscht. Soll Soliarbeit gemacht werden, wenn ja, wie soll diese aussehen? Soll Öffentlichkeit geschaffen werden, sind Aktionen gewünscht, wenn ja, in welchem Rahmen? Soll mit den Medien zusammengearbeitet werden, wenn ja, mit welchen? Wann wird die Familie informiert? Wer macht das und wer hält den Kontakt während der Haftzeit aufrecht ? Wer hält den Kontakt mit den Anwält*innen? Sind diese Fragen im Vorfeld geklärt, erleichtert es die Soliarbeit zum Beginn ungemein und gibt euch ein besseres Gefühl, dass alles organisiert ist.
Vernichtet eure Kleidung!
Das gilt sowohl für eure schwarzen Sachen als auch für eure Wechselklamotten, sowie für Mützen, Handschuhe, Unterwäsche und Rucksack / Beutel oder Aktionskarten. Und ganz besonders gilt das auch für Schuhe! Denn wenn auf Videos Schuhe mit Applikationen oder Löchern zu sehen sind, sollten diese nicht bei euch gefunden werden! Wir schreiben hier explizit davon, da es Leuten oft schwer fällt, sich von ihren Schuhen zu trennen und aus der jüngsten Vergangenheit Beispiele bekannt sind, wo Menschen aufgrund ihres getragenen Schuhwerks belastet werden konnten.
Keine Filme – Keine Fotos!
Zudem sind aus den letzten Jahren einige Fälle bekannt geworden, bei denen Menschen durch Film- und Videoaufnahmen die sie von Aktionen beispielsweise von Demos auf ihrem Handy hatten, belastet und verurteilt werden konnten. Wir können hier nur nochmals dringend an euch appellieren: Macht keine Fotos und Filmaufnahmen von Aktionen mit euren Handys. Das gefährdet nicht nur euch sondern auch zahlreiche andere Menschen! Auch wir wissen um die schönen Bilder von brennenden Bengalos und fliehenden Bullen – es gibt aber schon genug Presseteams, die ständig Foto- und Videoaufnahmen machen! Lasst eure Handys einfach Zuhause!
Keine Aussagen!
Generell gilt keine Aussagen gegenüber Bullen und Justiz! Jedes winzige Detail was ihr preisgebt wird gegen euch und andere verwendet werden. Deshalb ist es ratsam konsequent zu schweigen und jegliche Aussage zu verweigern. Und auch in diesem Punkt seit ihr rechtlich abgesichert, da es ein Recht auf Aussageverweigerung gibt und ihr euch gegenüber den Bullen zu nichts äußern müsst. Bedenkt immer Bullen sind keine Freunde und gute Gesprächspartner*innen sondern ausgebildete und psychologisch geschulte Menschenjäger denen es darum geht euch weg zusperren!
Letzte Worte
Wir sollten uns darüber im Klaren sein, was es für Konsequenzen mit sich bringen kann, wenn wir eine offene Konfrontation mit diesem Staat eingehen. Wozu dieser in der Lage ist, zeigt sich täglich im Kleinen wie im Großen. Dennoch erachten wir es als wichtig, nicht in Panik und Paranoia zu verfallen, sondern mit kühlem Kopf und so gut vorbereitet wie denkbar unsere politischen Praxen fortzusetzen. Wie weit die Repression greifen wird, werden die kommenden Wochen und Monaten zeigen, deshalb ist es jetzt umso wichtiger in euren Gruppen über Ängste und kollektive Strategien zu reden. Der G20 liegt hinter uns. Vor uns liegen weitere Abenteuer und Ausschreitungen. Unsere neuen Erfahrungen beziehen wir in unseren Kampf für ein Leben in Freiheit und Würde ein.
Freiheit für alle Gefangenen!