Briefe

Hier veröffentlichen wir die Briefe, die Aaron und Balu an die Offentlichkeit geschrieben haben.


 Gemeinsame Erklärung aus dem Knast [No 2 / 9.9.2016]

Der 9. September markiert nicht nur zweimonatiges „Jubiläum” in der JVA Moabit, sondern vielmehr den 45. Jahrestag des Gefangenenaufstands von Attica und die damit einhergehenden Solidaritätsaktionen für Gefangene in aller Welt. Unsere Solidarität gilt an dieser Stelle allen die gegen die Ausbeutung von Knastarbeiter*innen kämpfen, und Gefangene unterstützen.

Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und in der Hoffnung des – mehr als fragwürdigen – „Flüchtlingsdeal” mit der Türkei aufrecht erhalten zu können; um militärische, wirtschaftliche und geopolitische Interessen der BRD durchzusetzen, wird wieder zunehmend mit dem Totschlagparagraphen 129 „argumentiert”. Aktivist*innen, Unterstützungsorganisationen und besonders Kurd*innen werden mit allen, dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln, unterdrückt und verfolgt.

Zeitgleich nehmen neofaschistische Gewaltdelikte in Europa überhand und offenkundig neofaschistische Vereinigungen finden immer mehr Zuspruch in allen Teilen der Gesellschaft. „Verfassungsschützer”, die dubios in NSU-Morde verstrickt sind, werden nicht angeklagt. Stattdessen kämpft der Staat erbittert gegen alternative Lebensformen, autonome Projekte und versucht den Widerstand gegen rassistische, repressive und ausbeutende Strukturen in der Gesellschaft zu kriminalisieren. Berechtigte Kritik und Aktionen gegen die herrschenden Verhältnisse werden heute, mehr denn je, als „Terrorismus” betitelt und angeklagt.

In diesem Sinne fordern wir die Freiheit aller politischen Gefangenen!

In der Hysterie um den (islamistischen) Terrorismus will auch der deutsche Staat seine Rolle noch weiter ausbauen. Nach den Ereignissen in Würzburg, Ansbach und München – die mitnichten in denselben Topf gehören – soll wieder einmal die subjektive „Sicherheit” erhöht werden.

In den Nachrichten wird stolz berichtet, dass im ersten Halbjahr 2016 schon mehr Menschen an den deutschen Grenzen abgewiesen wurden (ca. 13000), als im gesamten Jahr 2015 (ca. 9000). Die größte Gruppe der abgewiesenen Menschen stellen Afghan*innen, gefolgt von Syrer*innen und Iraker*innen, deren Länder in den letzten Jahren (auch) maßgeblich durch westliche Militärallianzen zu Todeszonen geworden sind.

Aber die Privilegien der weißen Gesellschaften sollen nicht nur „am Hindukusch” verteidigt werden. Auch durch den Ausbau der Polizei, die Bewertung von Menschen anhand „ökonomscher Nutzenskriterien” und die Ausweitung der Videoüberwachung werden Geflüchtete dikriminiert, unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert. Die geforderte Loyalität zu Kaltland soll einmal mehr durch den Pass symbolisiert werden. Alles zum Schutz des „deutschen Volkes”, dass in erschreckender Art und Weise seinen, ach so vermissten, Nationalstolz wieder offen zur Schau stellt.

Aber wer schützt all die Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft oder Nonkonformität mit den kaltländischen „Normen und Werten”, immer wieder angegriffen werden? Wie können diese Menschen sich selbst schützen?

No Border Camps in Kaltland und Griechenland oder Hausbesetzungen zur kollektiven Aneignung von Räumen sind Schritte in die richtige Richtung. Jede dieser Aktionen sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in diesem Kampf vor allem Ausdauer und Konsequenz gefragt sind. Die letzten Wochen und Monate haben ihrerseits gezeigt, dass es überall noch widerständige Menschen gibt. Entschlossene, die immerwieder dazu in der Lage sind sich dem gewalttätigen Umfeld, dem Staat und dessen Maschinerie, effektiv zu widersetzen. Aber auch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass jederzeit auch die gegenteiligen Ergebnisse möglich gewesen wären. An einem Ort errungene Fortschritte dürfen nicht dazu führen, dass wir an anderen nachlassen.

Überall wo alternative Projekte angegriffen werden – können und sollten wir aktiv werden! Auch die zunehmende Repression kann uns nicht davon abhalten unsere Träume zu verwirklichen. Wir haben jederzeit und überall die Möglichkeit Sand in das Getriebe zu streuen und unsere Leben an uns zu reißen! Der umsichgreifende Staat, die (Re-)Militarisierung, das rücksichtslose kapitalistische System und nicht zuletzt das wieder agressiv auftretende „deutsche Volk” lassen ein weiteres abwarten nicht zu.

Hier drinnen geben Eure netten Worte, Aktionen, Zines, Pamphlete, Zeichnungen und Grüße uns Ausdauer, Lächeln und Kraft. Der staatlichen Repression und Langeweile entgehen wir mit täglichem Gelächter beim Hofgang, gemeinsam zubereiteten Mahlzeiten und den Austausch mit anderen Gefangenen. Wir tun unser Bestes, denn unsere Tränen kriegen sie nie! Unsere Dankbarkeit für all die Solidaritätsbekundungen ist schwer in Worte zu fassen. Wir sind hier absolut privilegiert; neben oft unüberwindlichen Sprachbarrieren und der Knastbürokratie haben viele Gefangene kein Geld für eigenes Essen und Telephon, niemanden der ihnen schreibt, keine Möglichkeiten Bücher zu lesen oder deutsch richtig zu lernen. Wir geben unser bestes auszuhelfen und vor allem zu übersetzen, da Dolmetscher*innen, zumindest zeitnah, nicht vorhanden sind.

Vergesst bitte nicht, dass wir nur zwei von mindestens 80, bei der Demo festgenommenen sind und das ein Haufen Verfahren zu erwarten sind. Auch allen diesen Menschen gilt unsere Solidarität!

Auf eine freie, gerechte und gemeinsame Zukunft! Für Tassen ohne Henkel! Parteipolitik und Wahlkämpfe abschaffen! Solidarität mit allen autonomen Projekten!

Aaron & Balu


 

Brief von Balu an Münsteraner_innen

Berlin, 15.8.16

Liebe Menschen in und um Münster,
heute sind ziemlich viele Postkarten, soweit ich weiß aus der Baracke
bei mir angekommen. Nicht nur wegen der schäbigen „Münster-Motive“
musste ich ziemlich lachen. Wohl oder übel habe ich gestern mein
Jubiläum gefeiert und so wie es aussieht, kommen noch ein paar dazu. Das
klingt jetzt erstmal scheiße, aber ehrlich gesagt kann ich darüber
lachen. Wie ihr vielleicht schon gehört habt, kriegt mich der Knast
nicht klein, und wir machen es uns hier so „gemütlich“ wie möglich.
Gemütlich machen es Aaron und mir vor allem die Briefe, Postkarten und
Soliaktionen über die wir bestens informiert werden. Auch von der Demo
haben wir Berichte bekommen und ich hoffe, das ihr euch von der
Repression nicht kaputt machen lasst. Soligrüße aus Moabit gehen vor
allem deshalb besonders an die Menschen, die in Münster kriminalisiert
und in ihrem Leben angegriffen werden. Ich bin überzeugt, daß ihr das
schafft und diese Scheiße bald vorbei ist. Dann können wir den Staat
gemeinsam auslachen.
Dafür das er so viel Angst hat, daß er versucht einzelne Menschen aus
dem Leben zu reißen weil er sich nicht anders zu helfen weiß. Weil der
Kampf immer wieder Wirkung erzielt und er nicht anders kann als völlig
auszurasten. Und nicht zuletzt, weil er in Hierachien denkt und eine
solidarische Gemeinschaft niemals fassen kann.
Überall, wo Menschen wir ihr euer Unverständnis und eure Ablehnung
gegenüber dem Bestehenden äußert (in welcher Form auch immer), motiviert
ihr andere und schafft ihr es, ein wenig Durcheinander in die, ach so
gehütete, Ornung zu bringen! Nichts ist umsonst!
So, jetzt aber genug der geschwollenen Reden ;p, auch wenn das immer
guttut sich selbst das ganze vor Augen zu führen.
Weil ich gerade „vor Ort“ bin, will ich euch einen kleinen Einblick
geben, über das was hier so läuft.
Weil scheinbar Sommerferien sind, leidet Moabit unter Personalmangel,
weshalb unsere Aufschlusszeiten immer gekürzt werden. Am Wochenende
waren wir nur knapp 1,5 Stunden ausserhalb der Zelle und hatten seit
Mittwoch keine Gelegenheit zu duschen. Auch heute, so wie an 3/5 Tagen
in der letzten Woche ist der Zellenumschluss gestrichen. Aber auch das
ist Gewöhnungsache und nervt nicht mehr so wie noch vor 2 Wochen.
Dazu habe ich gestern erfahren, das mich der Knast, Zitat “ auf das
Leben draussen vorbereiten“ soll, wo ich mir ein ungläubiges Lachen und
eine kleine Diskussion nicht verkneifen konnte. Eigentlich hatte ich das
Gefühl gut karzukommen als ich draussen war, aber vielleicht wissen sie
es ja besser? Auch eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit des
Strafsystems endete in der Feststellung dass wir hier „getrimmt“ werden
sollen, und das der Job „eigentlich Spaß macht“. Viel mehr als ein
Lachen blieb mir auch da nicht übrig.
Was aber besonders hier im Knast deutlich wird ist, daß
selbstverständlich alle Menschen alles verstehen und lernen können, auch
wenn die Gesellschaft und das Bildungssystem immer so tun, als wären
Menschen quasi von „Natur aus“ schlauer, doofer, fähig, oder unfähig,
usw. Hier variieren nur die Wege, wie Menschen verstehen und lernen,
aber möglich ist alles. Mit Diskussionen auf Augenhöhe und Rücksicht!
Sogar die in Münster so beliebten Redeverhaltensregeln mit ihren
Handzeichen halten langsam Einzug in der JVA Moabit!
In diesem Sinne bin ich beeindruckt von all der Solidarität und freue
mich bald wieder im „spießigen-Postkarten-Münster“ zu sein. Ich peil mal
spätestens Sylvester an.
Grüße in alle Runden und an alle!
Dankbar, Balu


Gemeinsame Erklärung aus dem Knast 26.07.16

Der doppelt negative Ausgang unserer Haftprüfungen ist der letztnotwendige Beweis für den politischen Charakter unserer Inhaftierung in der JVA Moabit in Berlin. So stellen wir uns gerne der maroden Beweislage der Staatsanwaltschaft, die trotz nachweislich sozialer, beruflicher, familärer und wissenschaftlicher Verpflichtung, „keine Verankerung in unseren Leben” festzustellen vermag und eine akute „Fluchtgefahr” herbeiphantastiert.

Dieses politisch begründete Hirngespinst soll scheinbar ein Zeichen setzen – gegen uns alle! Offensichtlich ist, dass zuerst die Polizei, dann die Staatsanwaltschaft und zuletzt die „Justiz” als verlängerter Arm der Berliner Innenpolitik agieren.

Aber auch wir geben uns alle Mühe: Wir tragen die Haft mit Würde, kämpfen mit unseren eigenen Schwächen und nutzen die Zeit um all das zu lesen, wofür uns der alltägliche Wahnsinn vorher nicht die Zeit lies.

Nach der Willkür der Wärter, die lieber als „Meister” angesprochen werden, obwohl wir uns in einem „Menschenzoo” befinden, gibt es derzeit „Freistunde” und Aufschluss. Entsprechend finden wir uns öfter als uns das lieb wäre, allein in unseren Zellen wieder.

Damit konfrontiert, nicht nur einen schönen Sommer hinter Gittern zu verbringen, müssen wir auch von Freund*innen, Geburtstagen, Studium, Familie, Konferenzen und Veranstaltungen Abschied nehmen. Stattdessen: Knastfraß, Langeweile und Haftschaden!

Jeden morgen um 6:20 Uhr („Guten Morgen!”) zu realisieren immernoch eingesperrt zu sein und am – sonst so erwarteten – Wochenende mit einer Stunde an der „frischen Luft” auskommen zu müssen. Wichtigen Schriftverkehr überteuert (eine (!) Kopie kostet 50 Cent!) und mit Kontrollverzögerung abzuwickeln.

Das dieses Zuchthaus kein passendes Medium zur „Resozialisierung” (ganz gleich welches Verbrechen den Gefangenen angelastet wird) darstellt, ist nicht erst seit heute bekannt. Das bezeugt sogar ein Anstaltsleiter aus Bayern (!) in der Knastzeitschrift „lichtblick”. Dabei ist der Knast Gedankenschmiede für Verhalten abseits der solidarischen Gemeinschaft. In diesem System verdammt der Staat Rechtsbrecher*innen isoliert und auf engsten Raum zu verweilen, anstatt sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Trotz allem bleiben unsere Gedanken immer bei den Menschen draußen, im institutionalisierten, sich ausbreitenden Ausnahmezustand. Die Tag für Tag für eine bessere, eine freie Welt kämpfen und sich auch von der offen und schamlos agierenden Gewalt nicht abschrecken lassen. Bei all jenen die ihre Wut und ihre Enttäuschung über die herrschenden Verhältnisse auf die Straße tragen. Jenen, die ihre Hoffnungen und Träume formulieren und sich weigern stillschweigend die Ungerechtigkeiten hinzunehmen. Und auch jenen, die ihr bestes geben um ihre Mitmenschen solidarisch zu unterstützen.

Vereint im Ziel gibt es keine Hierarchie in der Wahl der Mittel!

Überall werden alternative Lebensentwürfe zurückgedrängt und werden die Räume, die für ein selbstbestimmtes und -verwaltetes Leben unverzichtbar sind, angegriffen.

Grade auch, weil diese Räume, ganz besonders heute, Schutzräume für viele Menschen, getroffen von Verfolgung, sind, gilt es sie zu verteidigen! Die ständigen staatlichen Angriffe können wir nur gemeinsam überstehen. Nur solidarisch, in gegenseitiger Achtung können wir die öffentlichen Plätze und Räume wiederbeleben.

Für uns in Haft ist es ganz deutlich, dass wir nicht alleine sind, da Eure Unterstützung und Euer Durchhaltevermögen uns tagtäglich – in Briefen oder Berichten – erreichen.

Das Ergebnis der „Festung Europa” vor Augen fordern wir Freiheit für alle Abschiebegefangenen und politisch Inhaftierten!

Dankbar und vor allem kämpferisch!

Balu & Aaron

(ebenfalls veröffentlicht unter: https://linksunten.indymedia.org/de/node/186339)


Brief von Balu, 17.07.2016

Berlin, den 17.07.2016; vor dem Mittagessen (ich habe keine Uhr)

Lieber —–, liebe Menschen da draußen.

Zuerst einmal vielen Dank für Eure gute Arbeit da draußen. Als ich vor ein paar
Tagen so viele Briefe auf einmal bekommen habe war ich wirklich erleichtert. Es
ist wunderbar mitzubekommen, dass in Berlin und auch sonstwo, so viele an uns
hier drinnen denken.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir der ganze Knast nichts
ausmacht. So viele Stunden allein in der Zelle und auch das Wissen, dass alles
was Mensch schreibt gelesen werden kann, gehen nicht spurlos vorbei. Trotzdem
bieten „viele” Gespräche immer wieder Grund zur Hoffnung. Auch die Solidarität,
die die meisten hier leben ist beeindruckend und ermutigend. Gleichzeitig ist
auch hier im Knast klar, dass sich mit Geld vieles einfacher gestalten lässt.
Spätestens beim Wocheneinkauf zu Wucherpreisen. Und machen wir uns nichts vor:
Obst, Müsli, Saft oder auch Süßigkeiten machen Menschen den Knastfraß schon
erträglicher!

Zum Knastfraß: Ein vegetarisches Abendessen besteht hier mal schnell aus 5
Brötchen und ~ 7 Löffeln Quark…erheiternd ist das nicht wirklich :p.

Sonst vertreibe ich mir eigentlich den ganzen Tag damit zu lesen, auch wenn
bspw. Politische Literatur, so gut wie nicht zu bekommen ist. Ob das so gewollt
ist? 😀

Naja, wie heißts so: Überall richtet mensch es sich ein… Ich zumindest gebe mein
Bestes und wehre mich dagegen einen Fernseher zu bestellen, der mich
schlussendlich doch verrückt machen würde.

Über die Zeitung erfahren wir hier schon einiges über die Ereignisse und um die
Rigaer und kommen nicht um den ein oder anderen Lacher drum herum. Es scheint
so, als ob die Arbeit von so vielen verschiedenen Menschen endlich Früchte trägt.

Wir denken hier an die vielen uns bekannten, aber auch unbekannten Menschen und
freuen uns ganz bald schon wieder (hoffentlich) ohne verschlossene Türen und
vergitterte Fenster leben zu dürfen. Mal schauen, was es zum Mittag gibt…

Passt auf Euch auf und Danke für die vielen aufmunternden Worte!

Freundschaftlich und Solidarisch,

Balu

PS: Gerne darfst du den Brief verwenden, wie du möchtest!


Brief von Aaron, 16.07.2016

Berlin, 16/7/16 – JVA Moabit – Zeit: Nachmittag, kein Plan.

Hi —-,

Wir erfahren hier natürlich von den Geschehnissen rund um die Rigaer und freuen
uns über die positiven Nachrichten und Kritik von seitens der Medien.

Bedank‘ dich bitte herzlichst in meinem Namen für die ganze soli-Arbeit bei den
Beteiligten und dank für dein Schreiben!

Aber nicht nur von draussen gibt es Solidarität. Auch im Knast werden wir gut
behandelt und uns wird ggf. weitergeholfen.

Ich bin zum ersten Mal im Bau und es ist für mich schon sehr interessant zu
beobachten wie Menschen denen unnötig die Freiheit genommen wird auf
Jahrtausende alte gesellschaftliche Muster zurückfallen: Kein Geld bedeutet
zwingend das Entstehen eines Tauschsystems (wie bis Heute in vielen Regionen der
Welt üblich und im politischen Kontext meines Wissens nach erstmals von Proudhon
ausformuliert); Kein Garnichts bedeutet Solidarität von deiner Community – ob
nun Sprache, Kultur oder Herkunft die Brücke baut ist hier dabei egal. Man
könnte dazu evntl. eine nette sozialanthropologische Arbeit verfassen, aber das
sprengt dann doch den Rahmen dieses Schreibens und ist nicht mein Fachgebiet.

Ich selbst bin schon lange in der IT tätig und beschäftige mich zzt. unter
anderem (grösstenteils ebenfalls unentgeltlich) mit der Sicherheit von
Internetprotokollen und Verschlüsselung. Dies ist, neben gewöhnlicher Arbeit als
IT-Consultant, auch der Grund für meinen Aufenthalt in Berlin und mein Herz
blutet das ich durch die U-Haft nicht an der bevorstehenden —— Konferenz
nächste Woche teilnehmen kann. Meine Zeit wäre damit wohl besser aufgehoben als
mit dem Lesen von Weltliteratur und dem einzigen vernünftigen Buch über Politik,
dass ich in ~ 800 Seiten Index der Anstaltsbücherei ausfindig machen konnte.

Mir gehts gut und ich führe jede Menge interessante Gespräche. Aber man muss
schon feststellen: Knast ist nicht nur fragwürdiger Freiheitsentzug sondern auch
Ausbeutung. Essen das man auf Wunsch bestellen kann liegt über den Marktpreisen,
Arbeiter verdienen 4-6 Euro am Tag (!) und das Telefonsystem (Telio) ist
unverschämt teuer, sodass mein € 5,- Guthaben nach den ersten ~ 10 Minuten
Gespräch ins Deutsche Mobilnetz aufgebraucht war. Und dann erst die unnütze
Knastbürokratie: Anträge für Anträge ausfüllen, um 6:20 abgeben oder nen Tag warten.

Auf nen‘ Termin beim Arzt/ der Ärztin warte ich nun auch schon fast ne‘ Woche. –
Rat der Justizangestellten: noch ein Antrag wegen Dringlichkeit. Kann man
eigentlich nur drüber lachen. Wo notwendig und gewollt helfen wir hier mal mit
Infos. zu Geschichte und Politik nach.

Arbeiten kann ich im Bau kaum da ich in der U-Haft keinen Zugang zu
wissenschaftlichen Publikationen und News habe und die Mathebücher der
Anstaltsbibliothek gehen selten über Grundschulniveau hinaus (drei fand ich dann
doch – waren aber nicht verfügbar, was mich wundern lässt wer sonst in der JVA
über „Gruppentheorie” liesst – wäre ein interessantes Gespräch.).

Die Gedanken sind frei,……

Mit besten Grüssen, Freundschaft!

Aaron

(Verbreitung obliegt deinem ermessen – denke man kann das weitergeben)

Sonntag, 17/7/16 Achja: Die soli-Demo gestern Abend vor Moabit haben wir gehört.
Auch die Gefangenen machten jede Menge Lärm! 😀